
Einen guten Morgen wünsch ich dir meine Liebe Seele,
ich hoffe du bist gut in den Vizefreitag gestartet? Ja, bald steht das Wochenende vor der Tür und somit der 2. Advent. Und je mehr Kerzen angezündet werden, geh gestresster werde ich. Aber das soll heute nicht das Thema sein, denn wie schon bemerkt wurde der Donnerstag von selbst zum Aufklärungsdonnerstag. Keine Ahnung, das hat sich einfach so ergeben. Aber das ist auch okay. Denn ich finde es wichtig und wer weiss wem es helfen wird wenn er über diese Beiträge stolpert.
Wie schon im Titel zu lesen ist, geht es heute um das Gedächtnis bei einer K-PTBS. Ich bin auf das Thema wieder aufmerksam geworden weil eine Aussage meiner Schwägerin mich völlig schockiert hat. Sie hat mir nämlich erzählt das sie alte Fotos angeschaut hat. Von der Taufe ihrer Tochter vor 26 Jahren. Und das ich auch auf ein par Fotos zu sehen sei. Ich schaute sie völlig entgeistert an und meinte, ich war bestimmt nicht dabei. Sie so: „Doch sicher, bist ja auf den Fotos mit drauf„. Und obwohl ich mich so sehr anstrenge um mich zu erinnern, da ist nur ein schwarzes, tiefes Loch. Und das schockiert mich wirklich. Und ich begann zu recherchieren…

Inzwischen weisst du ja auch das Erinnerungen während eines Traumas in Vergessenheit geraten können weil das Hirn sie nicht richtig verarbeiten und speichern kann. Aber das dies auch später passieren kann, war mir nicht bewusst. Und ja, ich bin in manchen Dingen extrem vergesslich. Und in manchen Sachen gar nicht. Paradox? Ja ich weiss. Früher war ich der Kalender meiner Familie, immer hiess es, kannst du dir das bitte merken? Egal worum es ging. Termine, wo man was hin gelegt hat, Geburtstage, oder sonstiges. Ich wusste immer alles. Ich hab mich so oft gefragt warum das so ist. Aber das hat mich nie so geschockt, einfach weil‘ alltäglich war und mir das so gar nie wirklich bewusst war. Man wird ja auch selten auf was frühes angesprochen. Aber die Aussage meiner Schwägerin hat mich echt total geschockt und verunsichert, und darum hab ich mich mal hin gesetzt und begann zu recherchiert.
🧠 Warum haben Menschen mit K-PTBS oft starke Gedächtnisprobleme
1. Dauerstress hält das Nervensystem in Alarmbereitschaft
Ein bisschen hab ich ja schon über dieses Phänomen geschrieben und zwar im Beitrag Dissoziative Störungen. K-PTBS entsteht meist aus chronischen, langanhaltenden Belastungen (z. B. Kindheitstrauma). Dabei war das Nervensystem über lange Zeit im Überlebensmodus (Fight/Flight/Freeze/Fawn).
Was Dauerstress für den Körper und die Psyche bedeutet:
- dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel
- überaktive Stressnetzwerke
- wenig bis gar keine Möglichkeit zur Regeneration
All das beeinträchtigt direkt jene Hirnareale, die für Gedächtnis zuständig sind.
2. Der Hippocampus wird belastet
Der Hippocampus ist dafür zuständig, Erinnerungen zu sortieren, zeitlich einzuordnen und eben auch abrufbar zu machen.
Bei chronischem Trauma (K-PTBS):
- kann der Hippocampus kleiner werden
- wird er weniger gut vernetzt
- funktioniert seine Sortierfunktion schlechter
Was dazu führt das Erinnerungslücken entstehen. Es führt aber auch dazu, dass es schwer fällt ein Ereignis / eine Erinnerung zeitlich ein zu zuordnen. Ich kann mich zwar an ein Ereignis erinnern aber ich kann unmöglich sagen ob das vor 3 Monaten oder vielleicht sogar vor 4 Jahren statt gefunden hat. Durch die oben genanten 3 Faktoren haben Menschen mit einer K-PTBS Probleme, neue Informationen zu speichern. Vor allem wenn die Situation in der sie sich Garde befinden mit viel Stress verbunden ist.
3. Das „Arbeitsgedächtnis“ ist ständig überlastet
Der Grund dafür ist, dass Menschen mit K-PTBS oft damit beschäftigt sind…
- innere Zustände zu regulieren
- Trigger zu vermeiden
- Hypervigilanz (Überwachsamkeit) zu managen
- Gefühle zu kontrollieren oder zu unterdrücken
All das kostet extrem viel kognitive Energie.
Dadurch bleibt weniger Kapazität für Konzentration und Speicherprozesse.
Das ist wie ein Computer, der im Hintergrund ständig 90 Programme offen hat. Dann wird er langsam und läuft nicht mehr flüssig oder im schlimmsten Fall hängt er sich auf.
Es hat also gar nichts damit zu tun, das Menschen wie ich, nicht aufpassen, nicht zuhören oder es ihnen gar egal ist was gemacht oder gesagt wird. Was uns oft mal’s unterstellt wird.
4. Dissoziation blockiert Erinnerungsspeicherung
Viele Betroffene dissoziieren, oft unbemerkt. Ich inzwischen spüre es meistens wenn es beginnt. Ausser es ist etwas das mich schnell erwischt.
Dissoziation ist wie ein „Abschalten“ des Bewusstseins oder der Verbindung zum Körper. Aber mehr das in diesem Blogbeitrag nach zu lesen.
Wenn man während einer Situation nicht wirklich präsent ist, dann kann das Gehirn diese Erfahrungen:
- nicht richtig abspeichern
- nicht sinnvoll verknüpfen
- später nicht abrufen
So entstehen „Löcher“, nicht nur aus der Traumasituation, sondern auch im ganz normalen Alltag.
5. Die Amygdala speichert Gefahr wichtiger als Fakten
Die Amygdala, sie ist das Gefahr- und Alarmzentrum, es entscheidet darüber was überlebenswichtig ist und was nicht.
Bei K-PTBS ist sie überaktiv und bewertet vieles als potenzielle Bedrohung.
Sie speichert:
- Gefahr
- Trigger
- Körpersignale… und das extrem gut.
Aber Dinge wie:
Termine, Namen und auch Alltagsinfos, sie rutschen nach hinten, weil sie nicht als überlebenswichtig eingestuft werden.
Ja, das klingt paradox, denn an Dinge, die ich für andere merken sollte und soll konnte und kann ich mich, wie oben erwähnt, viel besser und zuverlässig merken. Aber auch das ist normal. Dazu aber im Anschluss mehr.
6. Trauma beeinflusst eben auch die Exekutivfunktionen
Folgendes kann bei K-PTBS beeinträchtigt sein:
- Planung
- Aufmerksamkeit
- Priorisierung
- Arbeitsgedächtnis
- flexible Problemlösung
All das führt dazu, dass Informationen gar nicht tief genug verarbeitet werden, um gespeichert zu werden. Du kannst dir sicher gut vorstellen das es nicht nur im privaten Umfeld deswegen zu Problemen kommen kann. Auf der Arbeit ist das dann wesentlich schlimmer. Ist es nicht schon peinlich genug im privaten Umfeld, weil man sich immer wieder in die Situation der Rechtfertigung gedrängt fühlt, auf Arbeit ist es dazu noch beschämend. Wie willst du das jemandem erklären der gar keine Ahnung von dem Thema hat? Der wird das alles nur als Ausrede sehen. Glaub mir, ich weiss wie das ist. Man kommt in so viele Situationen die unangenehm sind.
Ich hab schon früh angefangen, Dinge die ich wirklich nicht vergessen darf aufzuschreiben. Abläufe, zum Beispiel, und dennoch, ist es dann an der Praxis gescheitert. Oder es dauerte einfach viel länger als bei anderen. Dazu immer der Stress, die Angst zu versagen, Fehler zu machen und wieder aufs neue kritisiert zu werden oder Schlimmeres.
7. Spätere Belastungen können ältere Speicherprozesse weiter stören
Es geht anscheinend nicht nur mir so, denn ich habe sehr oft an mit gezweifelt, aber viele Betroffene berichten:
„Früher konnte ich mir viel merken. Doch irgendwann ging es nicht mehr.“
Das liegt daran, dass ein ständig überfordertes Nervensystem Energie spart, indem es Gedächtnisprozesse reduziert.
Das ist ein Schutzmechanismus, kein „Versagen“.
Das darf ich auch erst lernen. Denn ich hab bis vor kurzem eben genau das gedacht. Weniger unangenehm ist es mir trotzdem nicht. Aber ich kann wenigstens verstehen warum es so ist.
🚨 Wichtig zu wissen
Diese Gedächtnisprobleme sind:
- typisch
- erklärbar
- behandelbar
- aber vor allem kein Zeichen von Faulheit oder mangelnder Intelligenz
Bei K-PTBS ist das Gehirn nicht „kaputt“, sondern angepasst, um in Gefahr zu überleben.
Nur passt diese Anpassung nicht gut zum heutigen Alltag.
Jetzt noch mal zu dem Paradox das ich mich sehr wohl gut erinnern kann wenn es darum geht mir Dinge für andere zu merken aber an meinen eigenen Kram nicht.
Ich hab gelernt das dies sehr typisch bei Menschen mit K-PTBS ist, und dafür gibt es mehrere nachvollziehbare Gründe.
🧠 1. Das Nervensystem ist darauf trainiert, andere zu beobachten (Überlebensstrategie)
Viele Menschen mit komplexem Trauma haben früh gelernt:
- andere genau zu scannen
- Stimmungen zu lesen
- Bedürfnisse anderer vorherzusagen
- Konflikte zu vermeiden
Das nennt man Hypervigilanz nach außen.
Das Gehirn merkt sich deshalb alles, was für das Verhalten anderer wichtig sein könnte.
Das ist die Stimmungen, das können Termine sein, Vorlieben… weil das früher vielleicht sicherer gemacht hat.
Aber: Dinge, die mich betreffen, werden vom Gehirn oft nicht so stark priorisiert.
🌪 2. Die eigene Innenwelt war früher nicht sicher – also blendet das Gehirn sie aus
Wenn die eigene Gefühlswelt früher überwältigend, beschämend oder gefährlich war, hat das Gehirn gelernt:
„Ich kümmere mich lieber um die Außenwelt, da habe ich mehr Kontrolle.“
Das führt zu wenig Fokus auf eigene Gedanken, Gefühle, Bedürfnisse. Und damit auch zu schlechteren Erinnerungen an die eigenen Erlebnisse.
⚡ 3. Dissoziation betrifft vor allem mein eigenes Erleben
Wenn ich in Situationen dissoziierst oder „abschalte“, speichere ich:
mein eigenes Verhalten, meine eigenen Gefühle und meine eigenen Erlebnisse weniger gut ab.
Aber bei anderen bin ich oft voll präsent und aufmerksam, deshalb bleiben deren Infos hängen.
❗️ 4. Ich bin wahrscheinlich empathischer und überangepasster als mir bewusst ist
Warum? Weil Menschen mit Bindungs- oder Kindheitstrauma häufig folgendes entwickeln:
- hohe Empathie
- hohes Verantwortungsgefühl
- Überanpassung
- Perfektionismus im „für andere da sein“
Das Gehirn wird auf Beziehungssicherheit getrimmt. Die Informationsspeicherung anderer Menschen ist daher überdurchschnittlich gut.
🧩 5. Die eigene Lebensorganisation ist überlastet, die von anderen nicht
Das Gehirn von Menschen mit K-PTBS ist ständig beschäftigt mit:
- Regulation
- Vermeiden von Triggern
- Umgang mit Emotionen
- innerer Anspannung
Das Ergebnisse davon ist:
Die eigene Dinge gehen schnell verloren („löchriges Gedächtnis“). Aber Infos über andere haben weniger emotionale Last, darum werden diese leichter behalten
🧠 6. „Gefahr-Scanner“ vs. „Selbst-Scanner“
Für mich war es früher sicherer zu wissen, wie es anderen geht, aber gefährlicher, die eigene innere Welt zu fühlen
Das Gehirn baut das als Muster ein. Deshalb bleibt eine Erinnerung wie:
„Meine Freundin hat morgen Arzttermin“
besser hängen als:
„Ich habe morgen Arzttermin.“
✨ Der wichtigste Punkt: Es ist kein Charakterfehler. Kein Ego-Ding. Keine Faulheit.
Es ist ein Überlebensmuster, das sich tief im Nervensystem verankert hat. Und: Es lässt sich mit Therapie und Selbstarbeit verbessern.
Und ja, eine leichte Verbesserung hab ich auch schon bemerkt… aber sobald ich im Dauerstress bin, egal warum, wird es wieder schwieriger. Aber so im Alltag ist es nicht mehr ganz so schlimm wie früher, aber darauf möchte ich mich nicht verlassen, darum schreibe ich alles in meinen Kalender ein, auch Dinge die ich machen möchte, oder was ich wann im Blog ansprechen will oder auch die Aktionen die laufen, wichtige Telefonate ich machen muss oder möchte,,, sonst hab ich angst sie zu vergessen.

Eieiei… das wurde jetzt noch länger als gedacht, einfach weil es mir wichtig war das Paradoxe zu erklären, auch für mich. Es so zu erfahren, zu lesen, zu hören, was auch immer, ist wichtig. Verstehen ist der erste Schritt zu Heilung. Egal wie diese dann ausschaut.
Danke, das du dies bis hier hin gelesen hast. 🙏🏻 Ich weiss, es war viel. Aber wichtig zu wissen um die Zusammenhänge zu verstehen.
Nun wünsch ich dir einfach einen gemütlichen Donnerstag, wenig Stress und komm später gut in den Feierabend. Wir lesen uns morgen wieder zu „Hand aufs Herz“ Bin schon selbst auf die Frage gespannt. ☺️