Leben mit einer PTBS

Therapiepause und was das mit mir macht

9 bis 17 Grad

Hallo meine liebe Seele 🫶🏻

Die Woche neigt sich schon wieder dem Ende zu und das Wochenende klopft langsam an die Tür. Aber erst dürfen wir uns noch mit dem Vize-Freitag rum schlagen. Hier ist das Wetter grau und feucht. Nein, kein Regen aber einfach vom Nebel so ne Grundfeuchtigkeit. Wenigstens ist es nicht soooo kalt am Nachmittag aber draussen bin ich trotzem nicht. Macht mich sowas von nicht an.

Aber heute möchte ich über das oben erwähnte Thema reden. Denn das beschäftigt mich immer mal wieder seit diese Pause angefangen hat.


Jeder der hier liest weiss, dass ich in meinem Leben schon ein par mal in Therapie war. Und die letzte Therapie ist jetzt im 9. Jahr. Das ist mir erst da so richtig bewusst geworden als sie mir sagte das sie eine Therapiepause für angemessen hält. Was diese Aussage und die Tatsache mit mir machte, damit habe ich echt nicht gerechnet. Meine erste Reaktion war Panik. Panik das ich es nicht alleine schaffe, weil ich mein Sicherheitsnetz verliere. Doch genau darum geht es.

Sie erklärte mir das die Gefahr besteht das eine Abhängigkeit von der Therapie entsteht. Dazu kann ich gewisse Dinge, wie z.B. Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen nur erlernen wenn ich dieses Auffangnetz nicht mehr habe. Das hat mich echt nervös gemacht, auch wenn ich eingestehen musste, das sie da sicherlich recht hat. Ich weiss zwar das Ende Jahr ein Gespräch statt findet doch bis dahin wären das dann 5 Monate. Also, war’s entschieden, Mitte Juli hatte ich nun die letzte Therapiestunde, vorerst auf alle Fälle.

Wir sind dann aber so verblieben das ich eh immer anrufen kann wenn was ist. Da hab ich aber für mich schnell gedacht, das mach ich eh nicht, ich kenne mich da zu gut. Damit habe ich eh immer mühe, erstens mit Telefonieren und zweitens hab ich da so ne Blockade im Hirn. Scham, Scham, mich wieder zu melden weil ich es nicht packe. Weil ich es nicht alleine regeln kann. Ja, da sollte ich inzwischen drüber weg sein aber nein, Scham ist in vielen Bereichen meines Lebens noch immer sehr dominant und präsent.

Ich hab gelernt das Scham das Gefühl ist, welches am schwersten ist zum ablegen. Warum das so ist? Musste auch ich erst begreifen. Und zwar deswegen…

1. Scham greift das Selbst an – nicht nur das Verhalten

  • Schuld sagt: „Ich habe etwas falsch gemacht.“
  • Scham sagt: „Ich bin falsch.“

Diese innere Botschaft betrifft nicht, was ich getan habe, sondern wer ich bin. Darum sitzt Scham so viel tiefer. Sie wurde ein Teil meiner Identität, nicht nur zu einem Gefühl.

2. Scham entsteht sehr früh

Scham ist oft eines der frühesten sozialen Gefühle, die wir als Kinder lernen. Meist dann, wenn wir Zuwendung verlieren:

  • „Ich bin zu laut, also werde ich nicht gemocht.“
  • „Ich brauche zu viel, also bin ich falsch.“

Da sich diese Erfahrungen wiederholt haben, wurde die Scham in mein Nervensystem eingebrannt. Heisst, sie wurde zur automatischen Körperreaktion auf Nähe, Verletzlichkeit oder Fehler. Das macht sie unglaublich zäh.

 3. Scham isoliert, weil sie will, dass man sich versteckt

Scham führt fast immer zum Rückzug, wie bei mir. Was bedeutet das ich mich verstecken, klein machen, unsichtbar sein will.

Ja ich weiss, dass verhindert genau das, was ich bräuchte, um zu heilen. Verbindung und Mitgefühl.

Darum bleibt Scham oft im Verborgenen, unverändert und unverarbeitet.

 4. Scham braucht Sicherheit, um sich zu lösen

Scham kann sich nur auflösen, wenn man sicher genug ist, um sie zu fühlen, ohne von ihr verschlungen zu werden. Und genau das, hatte ich bis jetzt nicht. Also diese Sicherheit. Was bedeutet, das ich mit 54 noch immer sehr Scham behaftet bin.

Wenn ich mich aber irgendwann wirklich sicher fühle, dann passiert irgendwann folgendes:

  • Mitgefühl (mir selbst gegenüber oder anderen),
  • Verständnis („Ah, deshalb fühle ich das so“),
  • Annahme („Ich darf so sein, auch wenn ich Fehler mache“).

Heilung von Scham geschieht also nicht durch Kontrolle oder Logik, sondern durch Zuwendung und Sicherheit.

 5. Scham ist ein Schutzmechanismus

Viele Menschen mit Trauma (besonders Bindungs- oder Entwicklungstrauma) tragen Scham in sich, weil sie uns früher geholfen hat zu überleben:

„Wenn ich glaube, ich bin das Problem, habe ich wenigstens Kontrolle. Dann kann ich mich anpassen und vielleicht bleibe ich sicher.“

So wird Scham zu einer Überlebensstrategie und solche Strategien legt man nicht einfach ab, man dankt ihnen und ersetzt sie langsam durch neue Wege.

Sorry für diesen Exkurs zum Thema Scham. Eigentlich hatte ich das gar nicht vor. Aber grade war’s für mich noch mal wichtig das für mich so aufzuschreiben, zu reflektieren und es nochmals zu verstehen und zu akzeptieren.

Auf alle Fälle haben wir dann einen Kompromiss gefunden. Und zwar sieht dieser vor das ich einmal im Monat einen kleinen Rapport schreibe. Da steht drin wie es mir im vergangenen Monat gelaufen ist, was es neues gibt. So das sie auch etwas auf dem laufenden ist und ich nicht ganz so ohne Sicherheit da steh.

Anfang August wars dann soweit. Es ging mir wirklich schlecht, die Verlustangst hat da ihre Klauen ganz tief in meine Seele geschlagen. Da hab ich lange mit mir gerungen und hab meiner Therapeutin geschrieben weil ich völlig überfordert war. Ich kenne diese Verlustangst ja schon seit Kindheit an. Aber so, in dieser ausgeprägten Form hatte ich das schon sehr lange nicht mehr. Also hab ich geschrieben und die Antwort kam dann 2 Tage später zurück. Für mich total unbefriedigend. Ja ich weiss, sie wollte das ich das selber regle, aber ein klein Wenig mehr hab ich schon erwartet. Ich hab nicht gleich geantwortet, denn ich war verunsichert, enttäuscht und die Scham kam dazu… es bestätigte mir genau das wovor ich eh schon immer angst habe.

Seit da hab ich nicht mehr geschrieben. Ich weiss, vielleicht sollte ich das mal, zum um zu sagen wie es zu Hause läuft, was sich so getan hat die letzen 2 Monate. Dann denke ich wieder, für was soll’s gut sein?

Ja, die Therapiepause ist so ein zweischneidiges Schwert. Einerseits zeigt es mir auf, das ich es auch ohne schaffen kann, dann wieder gibt es Dinge, wo ich froh um Unterstützung wäre. Aber ja, irgendwann muss ich auch wieder mein Leben alleine packen. Und ja, ich hab viel geschafft die letzten 2,5 Jahren.

Ich darf einfach lernen zu akzeptieren das alles was mich aus macht okay ist. ich hatte einfach immer eine falsche Vorstellung oder Erwartung an die Therapie. Nämlich diese, das wenn ich fertig bin mit der Therapie ich „gesund / normal“ bin. Tja, diesen Punkt hab ich bei weitem noch nicht erreicht. Und werde ich wohl auch nie. Meine Therapeutin meinte das es gar nicht das Ziel ist „normal / gesund“ zu werden. Weil‘ gar nicht möglich ist. Das Ziel ist viel mehr all diese Dinge, die mein leben beeinflussen zu akzeptieren und mich nicht mehr so dagegen ankämpfe. Wichtig sind vor allem neue Erfahrungen, die meinem Nervensystem die Möglichkeit bieten, sich neu zu programmieren und dann kann Heilung stattfinden.

Ja, manche Traumareaktionen werde ich mein Leben lang haben, sie werden vielleicht weniger oft auftreten oder weniger heftig. Manche werden vielleicht sogar ganz verschwinden. Es werden aber auch neue Trigger auftreten, weil Veränderungen im leben neue Dynamiken hervor bringen und da wird sich das ein oder andere sicher bemerkbar machen. Aber ich darf sie erkennen, annehmen und mich fragen woher das grade kommt und lernen, mit den neuen Trägern um zu gehen.

Also, ja ich habe mich mit der Pause abgefunden. Und ja… Ich bin eine Kämpferin, ich stelle mich der neuen Herausforderung und ich werde mein Bestes geben und an mir arbeiten. Ich versuche alles an mir so anzunehmen wie es ist und versuche aufhören dagegen anzukämpfen.


So… das war wieder mal ein kleiner Einblick in mein Leben mit meine K-PTBS. Ein wirklich kleiner Teil davon. Mal sehen was die nächsten Monate noch bringen und wann das nächste Gespräch ansteht und was daraus entsteht und wie es dann weiter geht.

Nun wünsch ich dir einen wunderbaren Nachmittag, gleich kommt noch meine Tochter mit ihren 3 Kiddis, Sie bringt mir noch meine Bestellung die ich bei ihr in Auftrag gegeben habe.

Herzlich, Alexandra

Schön das du dich entschieden hast deine Gedanken mit mir, uns, zu teilen.