Das Leben, Trauer und Abschied

Davor & Danach

Es gibt eine Zeit vor dem Tod meines Mannes und eine Zeit danach.

Auch heute noch, 2 einhalb Monate danach, bin ich noch immer blockiert wenn ich mir überlege wie meine Zukunft aussehen soll, oder wird. Wie ich mir sie vorstelle. Denn ich kann, und eigentlich will ich mir auch gar keine Zukunft ohne meinen Mann vorstellen. Schon davor habe ich mir immer viel Gedanken gemacht, wie es sein wird wenn es dann mal soweit ist, aber hallo? Doch nicht so früh…!? Er wäre jetzt Anfang August 56 geworden. Körperlich gesund, kam ich nie auf die Idee das ich und die Kinder schon jetzt Abschied nehmen müssen.

Das Thema Tod ist für mich seit Kindsbeinen an ein prägendes Thema, da meine Mutter ja früh sehr krank war und dann auch mit 33 verstarb. 7 Jahre später meine Grossmutter… Also ja, ich weiss das es immer passieren kann, dennoch, beide waren krank. Meine Mutter starb zwar auch viel zu früh aber der Hirntumor war einfach nicht heilbar, auch wenn man es mit 2 Op’s versucht hatte. Meine Grossmutter verstarb, jetzt auch nicht so alt, knapp 63, aber ebenfalls an Krebs. Aber bei meinem Mann, der noch voll im Saft stand, naja so gut wie das mit 56 sein kann, hinterlässt mich, uns, noch immer fassungslos.

Auch jetzt, während ich den Text schreibe, weiss ich nicht wie ich ohne ihn leben soll. Er war meine Grosse Liebe, ich wär für ihn gestorben. Nach knapp 34 Jahren, am 19. August, hinterlässt er ein enormes Loch. Einen Tag davor hat man noch über die Träume geredet, Pläne geschmiedet für den Sommer, wenn er dann mal kommt, und par Stunden später ist nichts mehr wie es war.

Ich sitze hier, starre auf den Bildschirm und wundere mich, wie es so kommen konnte? Eine Erklärung gibt es nicht, denn warum er so hat sterben müssen kann sich nicht mal der Rechtsmediziner erklären, denn es gab keine Vorerkranckung, nichts. Man machte ein CT, unauffällig, dann ne Obduktion… Klar fand man dann dabei das Problem, ein Thrombus in einem absteigenden Ast im Herzen. Aber warum es dazu kam, keine Ahnung. Er war gesund. Die einzigen Veränderungen im Körper waren die, die vom Tod herrührten.

Es scheint so das seine Zeit einfach gekommen war. Als hätte er sich aus dem Leben geschlichen. Mir kommt immer wieder in den Sinn, das er schon immer gesagt hat; „Ich werde nicht alt, ich werde keine 60 Jahre!“ Ich war dann immer sauer, einfach weil ich sagte das er das nicht wissen kann, und ich ehrlicherweise es auch nicht hören wollte. Für ihn war es hingegen immer klar. Tja… Selbsterfüllende Prophezeiung? So oder so, er hatte recht! Macht’s für mich nicht einfacher, leider.

Wenn man’s von der spirituellen Seite aus betrachtet, und man an Reinkarnation glaubt, egal in welcher Form, dann könnte ich mir vorstellen das er sich daran einfach erinnert hat. Also wie lange er hier sein wird. Nicht mehr an sein früheres Leben, aber irgendwie scheint da noch ein Nachhall in ihm präsent gewesen zu.

„Der Tod ist gewissermassen eine Unmöglichkeit,
die plötzlich zur Wirklichkeit wird.“ 

Johann Wolfgang von Goethe

Egal, ich muss immer an den letzten Abend denken, der war nämlich ganz speziell irgendwie. Sehr entspannt, ich hab ihm das Romé spielen beigebracht, er meinte dann nur, dann bring ich dir das nächste mal Pokern bei. Also haben wir am Abend bis 24 Uhr Karten gespielt, hatten es lustig und meinten noch, wie alte Leute verbringen wir inzwischen die Abende. Sogar meine Tochter hat gelacht als ich ihr ein Foto geschickt habe. Es war wirklich ein schöner Abend… dann 4 Stunden später…

Schock, der Kampf ums überleben… danach alles nur noch leer und schwarz…

Die letzten Wochen verbrachte ich in einem komischen Vakuum. Die ersten Tage danach konnte ich nicht mehr im Bett schlafen, zusammen mit meinem Sohn schlief ich auf der Couch. Bis es Rückentechnisch einfach nach knapp ner Woche nicht mehr ging. Diese erste Zeit liegt im Nebel… Danach muss man einfach wieder funktionieren, denn wichtige amtliche Dinge stehen an, Behördengänge, bürokratische Dinge müssen gemacht, fristen eingehalten werden. Ich bin meiner Tochter unendlich dankbar, denn sie hat mir die ersten Tage sehr viel abgenommen, einfach weil ich es nicht konnte.

Ich bin froh schon in der Therapie zu sein, so hatte ich da auch noch Unterstützung. Aber immer wenn ich etwas machen oder machen muss, im Zusammenhang mit meinem Mann oder auch für mich, ist es echt schwer, denn er war immer an meiner Seite, wir haben uns gegenseitig unterstützt, Mut zugesprochen, vieles zusammen erledigt, jetzt fühlt sich alles so falsch an, als würde etwas nicht mehr richtig ticken. Bei allem was ich tu, egal was es ist, lesen, draussen spazieren, einkaufen, mich mit unseren besten Freunden treffen, mich mit den Kindern treffen, einkaufen, Dinge schauen die wir zusammen immer geguckt habe, ins Bett gehen, waschen, kochen… einfach der Alltag… Immer wieder wird mir bewusst, es wird nie mehr so sein wie es war. Ich werde nie mehr seine Stimme hören, sein lachen, seine Umarmungen spüren, sein Atem in der Nacht hören, seinen Duft einatmen, nie mehr mit ihm schreiben über WhatsApp, nie mehr diskutieren was man weg werfen kann oder sollte und was nicht, nie mehr philosophieren. Jedes mal, bei allem was ich mache, denn das meiste hab ich auch für ihn gemacht, gibt es mir ein Stich ins Herz und ich kämpfe mit den Tränen.

Das Leben dreht sich weiter, von allen. Auch meins, auch wenn ich es am liebsten zurück drehen würde. Und dennoch bin ich unendlich dankbar für die letzen 6 Jahre. Die ersten 3 Jahre davon waren für ihn sicher nicht einfach. Da ich eine sehr schwierige Zeit durch gemacht habe. Inklusiv 8 Monate Rückzug. In dieser Zeit hat er alles erledigt. Dennoch waren wir 24/7 zusammen, weil auch er immer zu Hause war. Das Privileg haben nicht viele in unserem Alter das sie so viel Zeit zusammen verbringe können bevor der eine gehen muss. Ausser sie sind alt und in Rente.

Und obwohl er gesund war, und er jetzt gehen musste oder konnte, auch wenn es für mich noch immer schwer zu akzeptieren ist, ist es gut für ihn. Denn in den letzten Jahre gab es einiges das ihn seelisch schwer belastet hat. Ich hoffe einfach das es ihm jetzt gut geht. Das er heilen kann oder vielleicht schon konnte und das wir uns, wenn meine Zeit gekommen ist, wieder sehen werden.

Jetzt, die Zeit danach steht noch völlig im Nebel und wartet von mir entdeckt zu werden. Ich brauch aber noch Zeit, denn ich will noch gar nicht raus aus diesem Nebel, er hüllt mich ein, in eine Art Kokon, in einer Zwischenwelt. Nicht in der Alten aber auch noch nicht in der Neuen. Die alte Zeit ist noch so nah und ich will sie nicht hinter mir lassen. Die neue Zeit, die Zeit danach, muss wohl noch etwas warten, bis ich, mein Herz, bereit dazu ist…

Traurige aber dankbare Grüsse – Alexandra

2 Gedanken zu „Davor & Danach“

  1. Liebe Alexandra, dieser Beitrag stimmt mich unendlich traurig. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie schwer das alles für dich war und noch ist. Ich glaube, so ganz darüber hinweg kommt man wohl nie, man lernt nur, damit zu leben. Ich möchte dir meine Mitgefühl ausdrücken und dich einfach einmal in die Arme schließen, auch wenn wir uns überhaupt nicht kennen. Dein Schicksal hat mich gerade sehr berührt.

    Liebe Grüße Catrin.

    Gefällt 1 Person

    1. Liebe Catrin,

      nein, tut man nicht, aber irgendwann wird es leichter, immer ein klein bisschen, bis man merkt das es jetzt doch gut ist. Also ich hab auch viel dafür getan, das es mir jetzt soweit gut geht, ich kann positiv in die Zukunft schauen. Und das möchte ich auch, auch wenn ich mich noch oft genug in die Zeit davor zurück sehne. Das Leben hatte anderes für meinen Mann vor, und für mich anscheinend auch. Also versuche ich mein neues Ich kennen zulernen, mein neues Leben zu erkunden und gestalten. Es gibt zu viele schöne Dinge und Momente da draussen um sie zu versäumen. Ich bin Dankbar für alles was war und was kommen wird. Das hilft enorm.

      Danke für deine Umarmung, und lieben Worte.

      Liebe Grüsse

      Alexandra

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